OT: Vårnatt (1954)
Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Nachwort von Hanne Ørstavik
238 Seiten, € 25 [D] | € 25,60 [A]
Gebunden mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-49-0
Tarjei Vesaas (1897–1970) erreichte mit seinem Schreiben eine einzigartige Meisterschaft: klar komponierte Geschichten, eine verdichtete, geradezu glühende Sprache, eigenwillige Figuren voller Spannungen, die ihrer inneren Stimme folgen. In .Frühlingsnacht. steht der 14-jährige Hallstein im Mittelpunkt, gerade an der Schwelle zwischen Kindlichkeit und Erwachsenensein, der mit seiner älteren Schwester Sissel über Nacht allein zu Hause bleibt, als die Eltern zu einer Beerdigung in die nahe Ortschaft fahren. Hitze und Feuchtigkeit liegen drückend auf dem Tag, und als die Geschwister sich zum Abendessen setzen, klopft es an der Tür. Eine fremde Familie benötigt nach einer Autopanne Unterkunft, zumal eine junge Frau kurz vor der Entbindung steht. Alle sind in Aufruhr, die Besucher bringen dramatische Konflikte mit, und die Frühlingsnacht wird zu einem Abenteuer, das Ungeklärtes zutage befördert und jeden verändert zurücklässt.
Tarjei Vesaas schafft mit wenigen Strichen eine verzauberte Atmosphäre. Die norwegische Natur um das Haus blüht und wächst, Bäume schlagen aus, Knospen springen auf, und der unaufhaltsame Lebenstrieb sprießt auch in Hallstein und Sissel. Durch Hallsteins Augen nehmen wir das Geschehen wahr, und ohne dass es Erklärungen gäbe, verstehen wir nach der Lektüre mehr von dem, was in und um uns wirkt. Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung gelingt das Wunder, das auch Vesaas’ Prosa so magisch macht: Vieles bleibt unausgesprochen, verharrt in Andeutungen, und doch entsteht zwischen den Zeilen ein poetischer Raum, eine eigene Welt, die Trost bietet und die man nicht mehr verlassen möchte.
»Vom ersten Satz an umgibt dieses Buch ein kindlicher Zauber. (…) Der 1970 verstorbene und von Hinrich Schmidt-Henkel kongenial ins Deutsche übersetzte Norweger Tarjei Vesaas zeigt in diesem Buch einmal mehr, wie genau er den Menschen und die Natur beobachten und beschreiben kann. (…) Jeder Dialog, jeder Satz in diesem Buch sitzt und zeugt zum einen von einem geradezu psychoanalytischen Feingefühl sowie von einer liebevoll humorvollen Erzählhaltung. Diese Nacht zwischen Frühling und Sommer wird zur Scheide zwischen Kindheit und Erwachsenwerden. Tarjei Vesaas, der selbst auf einem einsamen Bauernhof von der Natur umgeben aufgewachsen ist, scheint sein kindliches Ich nie vergessen zu haben. Das wird eins der Geheimnisse seiner großartigen Erzählkunst sein.«
Stephanie von Oppen, Deutschlandfunk Kultur Lesart
»… ein dunkles Kammerspiel von buchstäblich unheimlicher Qualität. Dass der Schriftsteller einen exzellenten Blick hat für die Bewusstseinslandschaften junger Menschen, zeigen alle seine Werke. ›Frühlingsnacht‹ ist der rätselhaft schöne Roman einer Weltverwandlung: Am nächsten Morgen ist nichts mehr, wie es einmal war.«
SWR Bestenliste, Mai 2025
»›Frühlingsnacht‹ reiht sich nahtlos ein in die Reihe der Romane des Norwegers Vesaas, die bislang von Hinrich Schmidt-Henkel in ein wunderbares, schwebendes Deutsch übersetzt worden sind: Alle Romane dieses Autors sind von einer poetischen Schönheit und einer zarten Atmosphäre, die ihresgleichen suchen. (…) Einen schöneren Roman als ›Frühlingsnacht‹ wird man in diesem Frühjahr kaum noch zu lesen bekommen. Es bleibt nur eine Frage offen: Warum hat dieser Autor niemals den Literatur-Nobelpreis bekommen?«
Christoph Schröder, Deutschlandfunk Büchermarkt
»Die ›Frühlingsnacht‹ ist ein durchweg allegorischer Roman über gescheiterte Kommunikation und das Ende der Jugend. (…) Beinahe jede Szene bei Vesaas ließe sich psychoanalytisch sezieren, in ihrer dicht gestrickten Stimmung und der hintergründigen Komik aber auch einfach gebannt lesen.«
Maximilian Mengeringhaus, Der Tagesspiegel
»Die große Kunst Tarjei Vesaas’ ist, dass er die Grenzen zwischen innen und außen durchlässig macht und seinen Erzähler mäandern lässt zwischen objektivierender und höchst subjektiver Sicht, auktorialer und Figurenperspektive – oft geht das in einem Halbsatz ineinander und bringt die Dinge, die Empfindungen ins Schweben, verwebt sie, ja erschafft sie im Grunde erst im Medium der Sprache, seiner Sprachkunst.«
Bettina Hartz, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
»Vesaas versteht es wie kaum ein Zweiter, mit wenigen Sätzen eine unheimliche Atmosphäre zu schaffen, die einen Abgrund erahnen lässt, ohne deutlich zu machen, worin dieser bestehen könnte. (…) ›Frühlingsnacht‹ ist ein verstörender, aufwühlender Text, der mit realistischen Versatzstücken arbeitet und dem dennoch mit den Massstäben eines realistischen Verständnisses nicht beizukommen ist. Tarjei Vesaas lässt die Grenzen und Konturen verschwimmen und vertieft so den existenziellen Ernst seiner Erzählung. Was Menschen antreibt und welchen Einfluss das Unbewusste oder Halbbewusste auf ihr Handeln nimmt, das bleibt in einer Schwebe, die es auszuhalten gibt.«
Rainer Moritz, Neue Zürcher Zeitung