OT: Svärmare och harkrank (1937, 1938, 1939)
Aus dem Schwedischen von Klaus-Jürgen Liedtke
Nachwort von Fredrik Sjöberg
219 Seiten, € 22 [D] | € 22,70 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-29-2

Schwärmer und Schnaken

Harry Martinson

Harry Martinson (1904–1978) schrieb, als Europa – auch Schweden – Ende der 1930er Jahre unmittelbar vor dem verheerenden Weltkrieg stand, mehrere Bände mit Reflexionen, Beschreibungen und Bildern der Natur. Ob Mohnkapseln, Baum-Weißlinge, Wasservögel, der Geruch der Erde oder der Winterfrost in den Fichtenwäldern – noch dem kleinsten Detail wird eine persönlich gefärbte Erkenntnis abgetrotzt. Doch er belässt es nicht bei der Beschwörung der schönen Natur: Im erfassenden Erschreiben begibt sich Martinson auf die Spur des Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt; zu den Tieren, den Pflanzen und der Landschaft – aber auch zum Blick auf die Natur, zu ihrem Gebrauch und nicht zuletzt zu ihrem bewahrenden Schutz.

Die Natur in »Schwärmer und Schnaken« ist keineswegs nur Idylle, sie ist Spiegel sowohl für Martinsons Innenwelt als auch für das, was um ihn herum vor sich geht. Politisch, biologisch, gesellschaftlich: Mensch und Natur stehen in einer Beziehung zueinander. Unser Blick formt die Natur und bildet sie erst, die Natur wiederum schult unser Auge und zwingt es zur Genauigkeit. Klaus-Jürgen Liedtke hat eine Auswahl aus den Naturtexten zusammengestellt und in eine Sprache übertragen, die Harry Martinsons komplexe Betrachtungen und wortmächtige Ausmalungen auch im Deutschen zu einem reichen Lektüreerlebnis werden lässt. Die dichten Beschreibungen sind Glanzlichter der Sprachkunst, mit einer präzisen Formulierung das Wesen einer Erscheinung zu erfassen. »Hört mir zu, ich wispere aus dem Bach«, steht an einer Stelle. Martinson folgt dieser Aufforderung, er entziffert die Natur und lauscht ihr ihre Geheimnisse ab.

»Was kann man über ein Buch Schöneres sagen, als dass es die Sicht auf die Welt verändert? Genau das tun Harry Martinsons Naturminiaturen über ›Schwärmer und Schnaken‹. Hat man ein paar der Kapitelchen über Sonne, Seen, Schlickbuchten, Waldsümpfe, Kerbel, Mohnsamen oder Erdgeruch gelesen, verändert sich unwillkürlich auch der Blick aus dem Fenster: Wem winken die Platanen in der Frühlingsbrise? Wovon tuschelt das Laub, das über den Asphalt raschelt? Welchem Besiedlungsplan folgt das Moos auf dem Mauersims, nachdem die Flechten den Grund bereitet haben? (…) Harry Martinsons wunderbare Stimme singt dank der beeindruckenden Neuübersetzung von Klaus-Jürgen Liedtke nun wieder in unseremBücherwald.«

Jürgen Reuß, Badische Zeitung

»Ganz gleich, ob Martinson einen See im Sommer mitsamt seiner schwirrenden Fauna und Flora beschreibt oder eine alte Zeche, die von der Pflanzenwelt nach und nach zurückerobert wird; ob er eine Staude in den Blick nimmt, eine Mohnkapsel oder einen Käfer: Man kann dieses Buch an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und wird stets auf überraschende Beobachtungen, originelle Bilder und Betrachtungen stoßen, die frei sind von Manierismen und doch aufgeladen mit einnehmender Atmosphäre. (…) Grundlagenwissen, Präzision und eigenes Erleben verbinden sich im Idealfall zu einer Perspektive auf die Welt, die sie neu erscheinen lässt, obgleich jeder den Zugang zu den Objekten haben könnte. Die Literatur, die einer solchen Poetik entspringt, ist in ihrem Vokabelreichtum, den die Übersetzung ganz offensichtlich ins Deutsche hineintragen konnte, und in ihrer zeitlosen Schönheit beglückend.«

Christoph Schröder, Süddeutsche Zeitung

»Harry Martinsons Naturessays sind es wert, entdeckt zu werden. (…) Die Protagonistin der meisten Essays ist die überschäumende Natur eines schwedischen Sommers, die Explosion des Lebens in einer kurzen Phase zwischen Eis und grauer Kälte, wenn endlich alles blüht, alles sirrt und vibriert. (…) Es sind Texte, für die man sich Zeit nehmen muss. Immer wieder bleibt man hängen, an einem Gedanken, einer Pflanze, einem Insekt.«

Steffen Herrmann, Frankfurter Rundschau

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Harry Martinson

Harry Martinson (1904–1978), Sohn eines ehemaligen Kapitäns und bankrotten Ladeninhabers, wuchs in Jämshög in Blekinge auf und verlor seinen Vater im Alter von sechs Jahren. Während die Mutter nach Kalifornien auswanderte, wurden Martinson und seine Geschwister als »Verdingkinder« von Jahr zu Jahr reihum auf Bauernhöfe gegeben. 16-jährig heuerte Martinson als Matrose an, 1927 kehrte er lungenkrank nach Schweden zurück. Sein erster Gedichtband »Das Geisterschiff« erschien 1929. Im selben Jahr heiratete er Helga Maria Swartz, die 1933 als Moa Martinson ihr literarisches Debüt gab. Martinson hatte mit Gedichten, Romanen und Reisebeschreibungen vor allem Erfolg bei der jüngeren Generation. Er ließ sich bei Stockholm nieder, doch der Nomadentrieb blieb ihm erhalten – immer wieder ging er auf Wanderschaft. In den späten 1930er Jahren verfasste er drei eigensinnige Bände mit Texten über die Natur. 1974 erhielt er, gemeinsam mit Eyvind Johnson, als Mitglied der Schwedischen Akademie den Nobelpreis für Literatur. Trotz großer Beliebtheit beim Publikum waren etliche seiner Werke umstritten. Martinson, bekennender Buddhist, beging schließlich während eines Krankenhausaufenthalts Suizid mithilfe einer Schere.

Klaus-Jürgen Liedtke

Klaus-Jürgen Liedtke, geboren 1950 in Südtondern, veröffentlichte Gedichtbände und zuletzt den Roman aus Dokumenten »Nachkrieg und Die Trümmer aus Ostpreußen«. 2018 gab er »Die Ostsee. Berichte und Geschichten aus 2000 Jahren« heraus. Als Übersetzer von Gunnar Ekelöf, Henry Parland, Edith Södergran und vielen mehr erhielt er u. a. 2005 den Paul-Celan-Preis sowie 2014 den Gerard-Bonnier-Preis.

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