OT: »Noatun« (1938)
Aus dem Dänischen von Inga Meincke und Verena Stössinger
Mit Nachworten von Klaus Müller-Wille und Sólrún Michelsen
380 Seiten, € 26 [D] | € 26,60 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-52-0
William Heinesen (1900–1991) umfasst mit seinem Leben fast das ganze färöische 20. Jahrhundert. Er schrieb über die raue Inselgruppe im Nordatlantik, mythengetränkt, aber von der unmittelbaren Lebenswirklichkeit. »Noatun«, 1938 veröffentlicht, ist färöisch durch und durch: Fischfang, Ackerbau und Schafzucht bestimmen die Tage – Regen, Schnee, Steinschläge und Wellengang prägen wie der Rhythmus der Jahreszeiten den Lauf der Dinge. Eine zusammengewürfelte Gruppe von eigensinnigen Menschen, denen im ärmlichen Kleinstadtleben und den dortigen besseren Kreisen keine Zukunft beschieden ist, beschließt, sich in einem verrufenen Tal niederzulassen und die Siedlung »Noatun« zu gründen. Ein Schiffsunglück hat die Bucht mit einem Schatten belegt, doch die Siedler lassen sich davon nicht abschrecken. Ihr Drang nach einem freien, wenn auch harten, einem selbstbestimmten, wenn auch unsicheren Leben ist stärker als alle Rückschläge und die Sorge vor dem Scheitern.
Den Kampf mit den Elementen und den gesellschaftlichen wie politischen Widerständen schildert William Heinesen mit herber Schönheit und wortkarger Tiefgründigkeit. Die Sprache ist ganz nah an der mythischen Natur und an den Menschen, von der Geburt über das Leben und Überleben bis zum Tod. Durch Inga Meinckes und Verena Stössingers hellhörige Übersetzung braust der Wind, schmirgelt, schnarcht und brodelt die Brandung. Hoffnung, Solidarität und Hartnäckigkeit drücken dem Roman ihren Stempel auf und führen die Bewohner Noatuns aus der archaischen Vergangenheit in eine verheißungsvolle Zukunft.
»Die wunderbare Übersetzung aus dem Guggolz Verlag vermittelt auch im Deutschen die Wucht seiner Sprache, die die Leser direkt auf die Färöer versetzt. (…) So sehr ›Noatun‹ in den Färöern verwurzelt ist – und die Leser ganz nebenbei unheimlich viel über die Geschichte der Inseln lernen –, so sehr ist der Roman doch zeit- und ortlos: Die Selbstbehauptung des Menschen gegen gesellschaftliche, religiöse und politische Doppelmoral und der Kampf für das eigene Glück ist heute ebenso aktuell wie zu William Heinesens Zeiten.«
Irène Bluche, Radio 3, rbb
»William Heinesen hat in seinem grandiosen, die Natur- und Alltagsgewalten sprachlich heraufbeschwörenden Roman ›Noatun‹ eine rohe, inzwischen fast schon archaisch anmutende Welt geschildert – und bewahrt. (…) Lebendig und leise, ohne Vorurteile und mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Heinesen von einem Netz an Abhängigkeiten und von schwelenden Konflikten, von Armut und Einsamkeit, von Leben und Tod, von diesem trotz spärlichster Lebensumstände hochkomplexen Gefüge der Noatuner Gemeinschaft. (…) Es spricht für die große literarische Kraft des neu übersetzten Romans, dass er uns bei aller zeitlichen und räumlichen Ferne noch heute etwas Gültiges und Berührendes über die Conditio humana zu berichten hat.«
Ulrich Rüdenauer, Deutschlandfunk Büchermarkt