OT: Balta drobulė, 1958
Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig
Mit einem Nachwort von Jonas Mekas
255 Seiten, € 21 [D] | € 21,50 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-10-0
Antanas Škėma (1910–1961) hinterließ einen Roman, der bis heute bedeutenden Einfluss auf die litauische Literatur ausübt: »Das weiße Leintuch«. Geschrieben zwischen 1952 und 1954, wurde er noch nie zuvor ins Deutsche übersetzt. Der Protagonist Antanas Garšva, ein litauischer Exilschriftsteller, arbeitet als Liftboy in einem vielstöckigen New Yorker Hotel. Antanas Garšva, Alter Ego von Antanas Škėma, ist vor den Sowjets aus Litauen geflohen, hadert aber mit der bigotten litauischen Leitkultur und der Trivialität der amerikanischen Konsumgesellschaft. In Rückblenden und Reflexionen versucht er seinen dramatischen Lebensweg zu verarbeiten und ihm einen Sinn zu geben, in der New Yorker Gegenwart findet er sich verstrickt in ein Dreiecksverhältnis mit seiner Geliebten Elena und ihrem Ehemann.
Aus den aufwühlenden Episoden ergibt sich ein Puzzle des 20. Jahrhunderts, das Škėma mit kraftvollem sprachlichem Reichtum schildert – ein Wirbel an Wahrnehmungen und Erinnerungen, die über Garšva hereinbrechen, um deren Bewältigung er mit immer neuen literarischen Anläufen ringt. Eindrücke von den Straßen New Yorks, Liedverse und Reminiszenzen an Litauen drängen assoziativ in den Text hinein, treiben den Protagonisten voran, bedrängen ihn. »Das weiße Leintuch« erzählt aber auch von der Verantwortung des Schriftstellers in einer unsicheren Welt, von Formen der Anpassung und Möglichkeiten des Widerstands. In der alle Register ausschöpfenden Übersetzung von Claudia Sinnig ist der Roman nun auf Deutsch zu entdecken, in dunkler Schönheit und mit all seinen bis heute nicht beantworteten existenziellen Fragen.
»›Das weiße Leintuch‹ ist ein gelungenes, kraftvolles und musikalisches Zeugnis der Moderne, und das Schicksal seiner Hauptfigur spiegelt das der ganzen Nation. (…) In atemlosen, abrupten Fügungen lässt Antanas Skema, der 1961 bei einem Autounfall starb, seinen Garsva durch wenige Tage und Nächte von New York treiben. (…) Die Welt dreht sich, und der Roman, von Claudia Sinnig so rau wie musikalisch übertragen, dreht sich noch schneller.«
Jörg Plath, Neue Zürcher Zeitung
»Das ist ein großes Verdienst des Autors: Bei aller tief empfundenen, traurigen Sehnsucht nach der Heimat lässt Škėma seinen Garšva nicht sentimental werden, gestattet ihm keinen nostalgischen Heimat-Kitsch, wie er nicht selten nationalistisch gefärbt in der Exilliteratur zu finden ist.«
Sabrina Wagner, literaturkritik.de
»Was diesen Roman groß macht, ist der Ton, in dem Garsva, der Protagonist, von seiner New Yorker Gegenwart und seiner litauischen Vergangenheit erzählt. Es ist ein lakonischer, geradliniger, trockener Ton, frei von Sentimentalität, auch frei von Hass. (…) Jede Seite dieses Buchs ist erschütternd und zugleich immer wieder komisch.«
Peter Zimmermann, Ö1 ex libris
»Škema ist mit seinem grandiosen Roman zu einer Sprache vorgestoßen, die ›den Zangen des logischen Verstands‹ enteilt, Seite um Seite, Satz um Satz. (…) Der Guggolz Verlag ist nicht genug zu rühmen, dieses Juwel – in schöner Aufmachung und mit einem ausführlichen Glossar – erstmals in deutscher Übersetzung zu präsentieren. ›Das weiße Leintuch‹ ist ein Roman von betörender poetischer Schönheit, meisterhaft in seiner Montage und berührend in seinen Figuren. Eine echte Entdeckung!«
Hartmut Buchholz, Badische Zeitung
»Knapp, präzise, neutral, zeigt Antanas Škėma die Abgründe auf, die sich vor seinem Protagonisten immer wieder auftaten, im unabhängigen Litauen, im Zweiten Weltkrieg, im erst sowjetisch, dann deutsch, dann wieder sowjetisch besetzten Land. Die alten Fragen schwingen mit. Wer bin ich, wer war ich? Claudia Sinnig hat diese berührende, große Erzählung über ein Leben im Exil kongenial übersetzt. Einmal mehr öffnet sie damit einen Zugang zur litauischen Literatur, die wir noch viel zu wenig kennen.«
Gisela Erbslöh, SWR
»Erstaunlich, wie wenig angestaubt dieser Roman heute wirkt. (…) Škėma kann ironisch und sarkastisch sein, aber auch existenzialistisch-ernst und sogar sentimental. Dieser Roman ist keine einfach nachzusingende Melodie, sondern eine sehr vielstimmige Symphonie – eine Vielstimmigkeit jedoch, der man sehr gern folgt.«
Jochen Schimmang, taz
»Der autobiographisch grundierte Roman ›Das weiße Leintuch‹ des litauischen Schriftstellers und Dramatikers Antanas Škėma, in New York geschrieben zwischen 1952 und 1954, lässt uns tief in die Seele der traumatisierten Menschen blicken. Jetzt nach 60 Jahren liegt dieser sprachmächtige, assoziativ geschriebene Roman endlich auf Deutsch vor und ist aktueller denn je.«
Cornelia Zetzsche, BR2, Das offene Buch
»Ein Ereignis. (…) Škėmas eindringlicher, bilderreicher, zuweilen stakkatohaft-atemloser, expressiver, dann wieder poetische dahinfließender Roman – Claudia Sinnig hat ihn erstmals ins Deutsche übersetzt – gilt als ein Wegbereiter der modernen litauischen Literatur. Es scheint, als habe Škėma gewusst, dass er nur einen Roman schreiben würde und darin alles sagen müsse.«
Ulrich Rüdenauer, Süddeutsche Zeitung
»Eine der Entdeckungen in diesem noch jungen Jahr. (…) ›Das weiße Leintuch‹ ist einer der großartigsten Texte über das Glück im Unglück, den ich kenne. Und es ist ein großes Glück, dass der kleine Berliner Guggolz Verlag dieses Buch in deutscher Übersetzung herausgebracht hat.«
Peter Zimmermann, Ö1, Ex libris
»Ebenso großartig wie erschütternd. Der Sog dieser Lektüre ist stark. Claudia Sinnig hat das Buch präzise übersetzt (…). Ein Glück für Litauen, einst an der Memel Deutschlands Nachbar, dass es zu seinem Auftritt als Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse dieses 1958 erschienene, wichtige Werk übersetzt vorlegen kann.«
Gerhard Gnauck, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Ein süchtig machender, hinreißend geschriebener Roman (…), ein besonderer Leckerbissen, dessen Attraktivität sich nicht zuletzt der virtuosen Übersetzung von Claudia Sinnig verdankt. Die hat mit viel Gespür für die Ausdrucksvielfalt des Originals eine deutsche Fassung hergestellt, die die Achterbahnfahrt der Gefühle in ›Das weiße Leintuch‹ auf kongeniale Weise abbildet.«
Tilman Krause, Die Welt
»Obwohl ›Das weiße Leintuch‹ schon 60 Jahre alt ist, ist es in bestem Sinne modern; eine Lektüre, die die Litauer erst nach der Sowjetzeit für sich entdecken konnten und die jetzt – endlich – auch für deutsche Leser bereitliegt.«
Jürgen Buch, WDR Diwan
»Der Roman ist in der Diaspora entstanden und ist doch prall gefüllt mit Assoziationen an die litauische Herkunft. Allerdings niemals nostalgisch rückwärtsgewandt. (…) ›Das weiße Leintuch‹ ist ein atemberaubender Roman, der in Abgründe und Höhlen führt, Vergangenheit und Gegenwart miteinander verstrickt, er changiert zwischen mythischer und avantgardistischer Tonlage, die von der Übersetzerin mit fein nuanciertem Sprachgefühl eingefangen wird.«
Lerke von Saalfeld, Büchermarkt, Deutschlandfunk
»Sprachgewaltig und poetisch breitet der 1961 verstorbene Autor in seinem Roman ›Das weiße Leintuch‹ ein ganz und gar nicht poetisches Leben aus. (…) Das Auf und Ab des Lifts, wird im Roman zur Metapher für das Leben. Und zwischen den Etagen dehnt sich die Zeit. In sie hinein drängen assoziativ die Erinnerungen, treiben den Roman und seinen Helden immer schonungsloser in eine Abrechnung – mit sich selbst und jenen Vielschreibern, die nach dem Krieg die litauische Exilliteratur mit dem Virus eines die Geschichte verklärenden nationalistischen Patriotismus infizieren.«
Mirko Schwanitz, Bayerischer Rundfunk
»Wie brüchig ein Emigrantenleben ist, zeigt dieser großartige Roman. (…) ›Das weiße Leintuch‹ ist nicht nur für Litauen relevant. Dieser Roman hat Weltrang.«
Judith Leister, Saarländischer Rundfunk
»In ›Das weiße Leintuch‹ findet sich kein überflüssiges Wort. Im Stakkato werden Erinnerungen aufgewirbelt und das Leben im amerikanischen Kapitalismus nach der Flucht vor den Sowjets verarbeitet. Von Anfang bis Ende erwarten den Leser kurze, pointierte Sätze.«
Melanie Schippling, BÜCHER Magazin