OT: Apokaliptinės Variacijos, 1929–1960
Aus dem Litauischen und mit einem Nachwort von Claudia Sinnig
421 Seiten, € 25 [D] | € 25,80 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-26-1
Antanas Škėma (1910–1961) arbeitete sein ganzes Leben daran, das von ihm Durchlebte in Literatur zu verwandeln. Sein einziger Roman, »Das weiße Leintuch«, gibt Zeugnis von seinem New Yorker Exil. Daneben sind aus allen Phasen seines Lebens literarische Stücke überliefert: Erzählungen, Skizzen, Szenen und Verdichtungen. Es sind in Blickwinkel und literarischer Gestaltung einzigartige Schlüsselszenen der Weltgeschichte: die Kindheit während des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs in der russischen und ukrainischen Provinz, Schulzeit und Studium, frühe literarische Versuche im unabhängigen Zwischenkriegslitauen sowie unter sowjetischer und deutscher Besatzung, die dramatische Flucht vor den Sowjets, das Leben als displaced person in Thüringen und Bayern und als Neuankömmling in Chicago und New York. All das spiegelt sich in facettenreichen Prosastücken.
»Apokalyptische Variationen« umspielt die Verheerungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts und den Riss, der die Existenzen durchzieht. Schreibend vergewissert sich Škėma seiner Biografie und versucht Sinn und Bedeutung in ihren Splittern aufzuspüren. Wir können lesend nachvollziehen, wie sich die Aussichtslosigkeit in seine Sprache einschreibt, wie diese immer mehr zerspringt, sich auflöst – und wie aus der sprachlichen Entgrenzung eine ganz neue Form entsteht. Claudia Sinnig greift in ihrer Übersetzung die Vielfalt von Škėmas Erzählstilen auf, schürft tief im Sprachmaterial, lotet Trauer und Dunkelheit aus und geht auch der Hoffnung und dem Vorwärtsstreben auf den Grund. Erlösung findet sich vielleicht nicht in Škėmas Leben, aber in seiner Literatur.
»Die chronologische Komposition der Texte erlaubt es, nicht nur etappenweise Škėmas Gestaltung des Erlebten im Fiktiven zu verfolgen, sondern auch seine Entwicklung als Schriftsteller nachzuvollziehen – eine abenteuerliche Reise von den ersten Fingerübungen in Kaunas, in der jungen litauischen Republik der zwanziger Jahre, bis zum Bildrausch des durch Wolkenkratzer-Schluchten taumelnden ›litauischen Camus‹. (…) Verglichen mit der eher biederen, konventionell gestrickten Tagesproduktion schien Škėma von einem anderen Stern zu kommen.«
Nils Kahlefendt, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»›Apokalyptische Variationen‹ stellt das erzählerische Werk eines der wichtigsten Autoren des baltischen Staates Litauen vor. Die Geschichten sind autobiografisch unterfüttert, spiegeln Erlebnisse eines Getriebenen (…). Schmerz und Trauer durchwehen dieses Buch. Aber gerade in den späten Texten gelingen Škėma Szenen von großer Schönheit.«
Ralf Stiftel, Westfälischer Anzeiger
»Die Gesänge dieses Autors sind farbig, mitreißend und klangvoll. Gezielt eingesetzte Monotonie wechselt ab mit pulsierendem Rhythmus. Sinnlich ist diese Sprache und aufrichtig, eigenwillig. (…) Selbst feine Zwischentöne und die Musikalität seiner Sprache gehen in der Übersetzung nicht verloren. Die ›Apokalyptischen Variationen‹ handeln von inneren und äußeren Zuständen. Die Protagonisten schwitzen, lachen, sind grausam, überheblich, verzweifelt. Menschlich eben.«
Carsten Hueck, Ex libris Ö1
»Antanas Škėma hat schon früh den Blues. Ihn singen aber lernt er erst in den USA. (…) Der Prosaband besitzt nicht nur eine erstaunliche formale Bandbreite, sondern auch eine thematische. (…) Vielfache Randständigkeit schenkt ihm einen Blick für andere Exilanten, für Arme, Schwarze und Bettler. Sie sind Nachbarn, Mitmenschen und Figuren an der Schwelle zu einer anderen Welt. [Škėma] schreibt unter schwierigsten Bedingungen und mit traumatischen Erinnerungen moderne Prosa, wie sie in Litauen lange Zeit nicht verfasst wurde.«
Jörg Plath, Neue Zürcher Zeitung
»Škėmas Prosa ist nichts zum Nebenher-lesen. Sie ist packend, zuweilen atemberaubend und bereichernd. Und dass dies auch im Deutschen so ist, verdanken wir der großartigen Übersetzerin.«
Gisela Erbslöh, SWR2
»›Apokalyptische Variationen‹ gehört zu den Büchern aus ›kleinen‹ Sprachen, die zwischen dominanteren Sprachen am Büchermarkt manchmal unterzugehen drohen, jedoch mit herausragender übersetzerischer Leistung glänzen. Claudia Sinnig vermittelt deutschsprachigen Leserinnen und Lesern ein Stück litauischer Literaturgeschichte in all seiner stilistischen Vielfalt und sprachlichen Präzision. Jede Erzählung ist ein Erlebnis und trotz oft tragischer und trauriger Inhalte bereitet die wortgewandte Verarbeitung auf jeder Seite Freude.«
Freyja Melsted, Tralalit