OT: Аполлон Безобразов (1932)
Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Olga Radetzkaja
299 Seiten, € 24 [D] | € 24,70 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-19-3

Apoll Besobrasow

Boris Poplawski

Boris Poplawski (1903–1935) war in den Pariser russischen Exilkreisen vor allem als ausdrucksstarker Lyriker bekannt. Der Roman »Apoll Besobrasow« erzählt in gleißenden Bildern von einigen entwurzelten jungen Menschen – meist russischen Emigranten –, die sich torkelnd und tanzend durch Paris treiben lassen und der Kunstwerdung ihres eigenen Lebens widmen. Der Ich-Erzähler Wassili lernt den geheimnisumwitterten Apoll Besobrasow kennen, der voller Widersprüche, aber auch von enormer Anziehungskraft für ihn ist. Beide sind verlorene Existenzen, die nach Schönheit und Aufrichtigkeit streben, beide schlagen sich durch und deuten ihre Zukunftslosigkeit zu Freiheit um. Russland gehört der Vergangenheit an, Frankreich bleibt ihnen fremd – die Nichtzugehörigkeit des Dazwischen versetzt den Roman in einen ambivalenten Schwebezustand. Doch die selbstgewählte Isolation treibt giftige Blüten, auf die Euphorie der Freiheit droht ein tiefer Absturz zu folgen.

Die von der Lyrik geprägte Sprache reizt die Imaginationskraft des Lesers mit ihrer hypertrophen Farbenpracht bis zum Überschäumen – und weist mit futuristischen und surrealistischen Einflüssen, mit den ausgiebig erforschten Rauschzuständen und der radikal antibürgerlichen Attitüde der Figuren wie ein früher Vorläufer auf die späteren Beatpoeten voraus. Olga Radetzkajas Übersetzung arbeitet mit feinem Gespür die Zwischen- und Untertöne in den grellen Formulierungen und kraftvollen Bildern heraus. Sie bringt die den Figuren eingeschriebene Verlorenheit und tiefe Traurigkeit des Exils, die auch hundert Jahre später noch Gültigkeit haben, zum Leuchten.

»Charakteristisch für Poplawskis fast hypnotischen Stil sind weit ausschwingende Textpassagen, die ins immer Phantastischere gehen und sich schließlich im Unbestimmten verlieren, wie etwa diese über den Pariser Regen: ›Er fiel, wie ein Mensch über Schnee geht, majestätisch und monoton. Bald sank er tiefer wie ein aus der Mode gekommener Schriftsteller, bald flog er hoch über die Welt dahin, wie jene unwiederbringlichen Jahre, da es noch keine Zeugen im Leben gibt.‹ (…) Mag sein, dass dieser Roman auch eine Abrechnung mit den okkultistischen Neigungen der Symbolisten ist. In jedem Fall enthält er eine Fülle sprachlicher Epiphanien, die im Leser einen geradezu metaphysischen Durst nach weiteren Übersetzungen der Werke Boris Poplawskis wecken.«

Judith Leister, Neue Zürcher Zeitung

»Boris Poplawski arbeitet in dem 1926-1932 geschriebenen modernistischen Roman, der um die Motive Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit kreist, stark mit Lokalkolorit. Neben den realen Schauplätzen des immer wieder verregneten babylonischen Paris zeigt er phantastische Szenerien am Genfer See und am Lago di Garda, wohin es die Protagonisten verschlägt. Poplawskis Sprache ist von grellen Farben und rauschhaften Beschreibungen geprägt. Sie ist für religiöses Pathos ebenso offen wie wie für ungezügelte sexuelle Phantasien und lässt den Einfluss des Surrealismus und des ›Ulysses‹ von Joyce erkennen.«

Karlheiz Kasper, Neues Deutschland

»Ein poetisch-schwebender Roman aus der russischen Diaspora im Paris der 20er Jahre. Junge Heimatlose balancieren nah am Abgrund und krallen sich umso leidenschaftlicher ans Leben. (…) Es passiert nicht viel in diesem Roman, im Wesentlichen dreht er sich um Eindrücke und Empfindungen. Das Leben, heißt es an einer Stelle, besteht aus Atmosphären. Das ist auch das Credo dieses Ausnahmeromans.«

Christine Hamel, WDR5 Bücher

»Boris Poplawski verwandelt die Hölle des Entwurzeltseins in der Emigration in den Himmel der Literatur. ›Apoll Besobrasow‹ ist ein avantgardistischer, phantasmagorisch schillernder Roman mit Anleihen bei den Symbolisten und Surrealisten, Mystikern und Theosophen. (…) Der Roman ist absolut betörend in seiner Sprache, er ist amüsant in seinem ausgefuchsten Humor und in seiner psychologischen Hocheigenwilligkeit spannend. Übersetzt hat ›Apoll Besobrasow‹ Olga Radetzskaja, die dem hypnotischen Erzählen Boris Poplawskis in alle sprachlichen Register – und das sind viele – mühelos folgt. Es gilt, einen erstklassigen Autor in einer erstklassigen Übersetzung zu entdecken – ach was: Eine Welt!«

Christine Hamel, BR Diwan

»Die Wiederentdeckung ist dank der feinfühligen Übersetzung von Olga Radetzkaja eine wahre Freude. (…) Ein genaueres Stimmungsbild aus der nachrevolutionären russischen Emigration ist schwer vorstellbar. (…) So verdichtet sich der Roman zu einem halb figuralen, halb abstrakten Gemälde, zu einem Flickenteppich aus einer Vielzahl von Themen und Motiven, der sich nirgendwo festlegen will, aber eine unvergleichliche sprachliche Schönheit ausstrahlt, die immer wieder dazu einlädt, irgendwo eine Seite aufzuschlagen und fasziniert weiterzulesen.«

Klaus-Peter Walter, literaturkritik.de

»Es genügt, dieses merkwürdige und schöne Buch an einer fast beliebigen Stelle aufzuschlagen, um von der Qualität seiner symbolistisch-surrealistischen Sprachmusik geradezu körperlich getroffen zu werden (…). Die profane Erleuchtung, die einem dieses Buch verschaffen kann, geht aber nicht von Andeutungen und Spekulationen aus, sondern von der fast schockierenden Qualität und Originalität seiner stilistischen und imaginativen Erfindungen.«

Stephan Wackwitz, taz

»Ein fantastisches Buch mit rasenden Stilwechseln als ob jemand über Klaviertasten fliegt und manchmal einen Ton hält. (…) Man liest es atemlos, es hat eine Tiefe und ist gleichzeitig übermütig (…). Olga Radetzkaja hat dafür gesorgt, dass auch seine Sprache noch brillant bleibt.«

Insa Wilke, hr2 kultur

»Zwischen Magie, Hochavantgarde, Halluzination und Fastmärchen changiert diese Prosa. (…) Ein enormer Fund.«

Alexander Kluy, Buchkultur

»›Apoll Besobrasow‹ ist oberflächlich betrachtet der Roman über eine Gruppe junger Exilrussen, die sich zwischen saturnischer Trägheit und exzentrischer Überspanntheit durch eine Stadt treiben lassen, in der sie als Außenseiter nicht wirklich leben können und nicht einmal die stille Würde der einheimischen Clochards besitzen. (…) ›Wenn ich auf die verflogenen Jahre zurückblicke, sehe ich fast keine Ereignisse‹, sagt der Erzähler einmal. ›Das Leben besteht aus Atmosphären.‹ Gleiches lässt sich über dieses Buch sagen. Es ist ein Enkel symbolistischer Sprachwelten, die ihren eigenen Mythos vom Leben jenseits des Lebens begründen. Doch ›Apoll Besobrasow‹ trägt auch den Streifschuss des Surrealismus als sehr französische Signatur. (…) Der Guggolz Verlag hat diesen schillernden Paris-Roman jetzt für eine deutsche Leserschaft endlich zum Leben erweckt.«

Katharina Teutsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Boris Poplawski

Boris Poplawski (1903–1935) wurde in Moskau in eine polnisch-litauische Adelsfamilie geboren. Er wuchs zweisprachig (russisch und französisch) auf und besuchte ein französisches Gymnasium in Moskau. Nach der Revolution 1917 verließ er mit seinem Vater Moskau; während des Bürgerkrieges emigrierte die Familie und gelangte via Konstantinopel 1921 nach Paris. Für ein Kunststudium zog es ihn 1922 vorübergehend nach Berlin, wo er unter anderem auf Boris Pasternak und Viktor Schklowskij traf; zurückgekehrt nach Paris widmete er sich vorwiegend der Literatur. 1931 erschien »Fahnen«, sein einziger Gedichtband zu Lebzeiten. Neben Gedichten schrieb Poplawski Artikel, Kunst- und Buchkritiken sowie zwei Romane. Auszüge aus dem ersten, »Apoll Besobrasow«, erschienen 1932 in Exilzeitschriften, der zweite, »Zurück aus dem Himmel«, wurde erst postum veröffentlicht. Der schillernde und berüchtigte Boris Poplawski fasste nie Fuß in der Pariser Gesellschaft, litt an Depressionen und experimentierte mit Drogen, 1935 starb er gerade einmal 32-jährig in Paris an einer Überdosis. Bis heute blühen Spekulationen um seinen frühen Tod. War es Selbstmord, ein Unfall, Mord – oder gar nur ein vorgetäuschter Tod?

Olga Radetzkaja

Olga Radetzkaja, 1965 geboren, studierte Slawistik und Komparatistik und hat u. a. Lew Tolstoi, Julius Margolin, Vladimir Sorokin, Boris Poplawski, Polina Barskova und Maria Stepanova übersetzt. Sie ist Co-Autorin des Dokumentarfilms »Spurwechsel. Ein Film vom Übersetzen« (2003) und arbeitet seit 2008 als Redakteurin bei der Zeitschrift »Osteuropa«. 2018 war sie mit ihrer Übersetzung von Viktor Schklowskis »Sentimentaler Reise« für den Leipziger Übersetzerpreis nominiert, 2019 erhielt sie dafür den Straelener Übersetzerpreis.

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