OT: Сите лица на смртта, 1994
Aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer
Mit einem Nachwort von Karl-Markus Gauß
219 Seiten, € 22 [D] | € 22,70 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-27-8
Petre M. Andreevski (1934–2006) überschreitet in jeder seiner neunzehn in diesem Band versammelten Erzählungen die Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen Lebenden und Toten. Kein Tod wiederholt sich, er hat bekanntlich viele Gesichter. Er kann grausam sein, aber auch tröstend, kurz und schmerzlos oder lang und umkämpft, plötzlich oder absehbar, grotesk oder erbarmensreich. Doch ebenso ist es mit dem Leben – Andreevski führt vor Augen, dass Leben unweigerlich zum Ableben führt und dass das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Die prägnant erzählten Geschichten sind bevölkert von Untoten, Wiedergängern, Gespenstern, bei denen das Irdische und das Jenseits schon gar nicht mehr zu unterscheiden sind. Alle sind im Angesicht des Endes gleich, weder der Bauer noch der Lehrer, weder der Bandit noch der Gendarm, weder der Dörfler noch der Städter kann ihm entrinnen.
Die Geschichten in »Alle Gesichter des Todes« umfassen das ganze mazedonische 20. Jahrhundert, von den Balkankriegen noch vor dem Ersten Weltkrieg durch das königliche und das sozialistische Jugoslawien hindurch. Und sie bieten viel mehr als einen Reigen von skurrilen, manchmal auch übersinnlichen Todesarten: Denn die Begegnung mit dem Tod ist meist auch eine Begegnung mit der Absurdität des eigenen Lebens, tiefe Traurigkeit über das Ende ist häufig gepaart mit einem existenziellen Witz. Petre M. Andreevski zeigt sich in seiner Erzählkunst als ein balkanischer Verwandter Franz Kafkas und Samuel Becketts, und Benjamin Langers kraftvolle Übersetzung schält die unbarmherzige Komik des Todes in allen Varianten als gnadenlose letzte Pointe des Lebens heraus.
»Es dauert eine Weile, bis man sich beim Lesen dem mächtigen Sog dieser Erzählungen überlässt, denn ihr Ton ist so poetisch wie distanziert, so überwältigend wie düster. Aber wenn man erst einmal eingetaucht ist in diese Bergtäler ohne Horizont und Hoffnung mit ihren Ritualen und ihren Jahreszeiten, entdeckt man darin das 20. Jahrhundert wie unter der Lupe, ein winziger Ausschnitt der Weltkarte, gezeichnet von einem, der genau weiß, was er da tut und die besten Werkzeuge dafür besitzt: Sprachgewalt und Erfahrung, Wissen und Mitleid.«
Katharina Döbler, Deutschlandfunk Kultur
»Eine bohrende Frage nach den letzten Dingen prägt die Texte, deren Welt ebenso vom Horizont des Christentums überwölbt ist wie von Aberglauben unterwandert. Doch ob übernatürliche Kräfte, die sprichwörtliche Hand Gottes oder gar nur der Zufall am Werk sind, lässt Petre M. Andreevski in seinen hochkondensierten, hochmodernen Erzählungen meisterhaft offen.«
Judith Leister, Neue Zürcher Zeitung
»Petre Andreevskis große Erzählkunst besteht darin, seinen tiefschwarzen wie skurrilen Dorfgeschichten aus dem fernen Mazedonien etwas Überzeitliches und Allgemeingültiges zu geben.«
Angela Gutzeit, SWR Lesenswert
»Ein einziges großes Memento Mori. (…) Immer haben die Erzählungen etwas Apokalyptisches. Wenn die letzten Dinge so großartig verhandelt werden, geht uns das alle an. Seine Literatur kommt vom Rand Europas, erinnert jedoch an Zentralgestirne der Moderne wie Kafka und Beckett. Selbst schuld, wer diese Texte, die Benjamin Langer in ein kraftvolles, körniges Deutsch übertragen hat, links liegen lässt.«
Judith Leister, Saarländischer Rundfunk