OT: »Levitan. Roman, koji to i nije« (1982)
Aus dem Slowenischen und mit einem Nachwort von Erwin Köstler
485 Seiten, € 28 [D] | € 28,90 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-46-9

Levitan. Ein Roman – oder auch keiner

Vitomil Zupan

Vitomil Zupan (1914–1987), das Enfant terrible der slowenischen Literatur, erkundete in seinen Werken sein eigenes Leben im Verhältnis zu den gesellschaftlichen Umständen – oder vielmehr in den Widersprüchen dazu. In »Levitan« schreibt Zupan über die Jahre in Haft nach dem Zweiten Weltkrieg, als er wegen Unmoral, Dekadenz und politischer Unberechenbarkeit aus dem Verkehr gezogen wurde. Der brisante, 1970 fertiggestellte Text konnte erst 1982 erscheinen. Derbe Zoten und größenwahnsinnige erotische Phantasien gehen darin in tiefgründige theoretische Reflexionen über; hellsichtige, fast liebevolle Charakterisierungen von Mithäftlingen und deren Lebensgeschichten wechseln sich ab mit wüster Verdammung der Gesellschaft und ihrer Institutionen.

Gleichzeitig ist »Levitan« ein intensiver psychologischer und philosophischer Trip in das beschädigte Bewusstsein eines Inhaftierten, ohne jede falsche Zurückhaltung aus Nettigkeit oder aus Opportunismus. Zupan prahlt, wütet, beschimpft und enthüllt – und erringt auf nahezu jeder Seite überraschende Einsichten, trifft wunde Punkte und stellt überkommene Überzeugungen auf den Kopf. Das Buch ist von umstürzlerischer Kraft und erzählt von der Parallelgesellschaft der Ausgestoßenen, die sich im Gefängnis versammelt. Erwin Köstlers Übersetzung folgt noch dem abwegigsten Gedankengang Zupans und bleibt nicht hinter dessen sprunghafter Genialität zurück: Seiner übersetzerischen Präzision ist es zu verdanken, dass wir dieses fordernde, tiefgründige Werk in seiner ganzen irrlichternden Weisheit und Unwiderstehlichkeit lesen können.

»›Levitan. Ein Roman – oder auch keiner‹, kraftvoll zupackend übersetzt von Erwin Köstler, ist das dritte auf Deutsch lieferbare Buch des vulkanischen Geheimtipps Vitomil Zupan. (…) Solch ein Gefängnisbuch gibt es wohl kein zweites Mal. (…) Spätestens hier erweist sich die Skepsis, wie stets bei Zupans Fabulierkunst, als nicht die schlechteste Lektürebegleiterin – steigert sie doch das Vergnügen und regt zur Analyse des so prallen wie gerissenen Erzählens an. Auch wenn sie zu guter Letzt das Feld für die uneingeschränkte Bewunderung räumt.«

Jörg Plath, Neue Zürcher Zeitung

»Das dritte ins Deutsche übersetzte Buch des vulkanischen Geheimtipps Vitomil Zupan erzählt vom Gefängnis. (…) ›Levitan‹ ist keine Anklage und kein Bericht, sondern vor allem eine Sammlung sehr ungewöhnlicher Lebensgeschichten. Der Erzähler Jakob Levitan, der dem Autor bis in Nuancen hinein gleicht, nutzt den Menschenzoo hinter Mauern, um eine Anthropologie voller überraschender Wendungen, nicht weniger Geistesblitze und wunderbarer Witze zu entwerfen.«

Jörg Plath, Deutschlandfunk Büchermarkt

»Ein ebenso derbes wie bedeutendes Dokument seiner Zeit. (…) Als Zeitzeugenbericht, der bis hin zur expliziten Pornographie keinerlei Tabus kennt, wirkt Zupans ›Levitan‹ literaturgeschichtlich betrachtet wie eine Abrissbirne für die eindimensionale Heroenverehrung des sozialistischen Realismus. Wie frisch das heute noch daherkommt, ist auch der unerschrocken direkten Übersetzung Erwins Köstlers geschuldet.«

Maximilian Mengeringhaus, Deutschlandfunk Lesart

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Vitomil Zupan

Vitomil Zupan (1914–1987) war zwei Jahre alt, als sein Vater als Frontsoldat fiel. Die Mutter heiratete in Ljubljana einen Germanistikprofessor, der kurz darauf starb. Als beim Spiel mit einer Waffe ein Freund tödlich verwundet wurde, entfloh Zupan trotz Freispruch der Situation, indem er auf einem Schiff anheuerte. Er bereiste die Welt und schlug sich als Boxer und Gelegenheitsarbeiter durch. Auf Wunsch seiner Mutter kehrte er zurück, um ein Studium des Bauingenieurswesens aufzunehmen. 1933 erschien sein erster Prosatext, bis 1941 schrieb er mehrere Romane und Stücke, die aber erst in den 1970er Jahren erscheinen konnten. 1941 ging er in den Widerstand, wurde 1942 verhaftet und in italienische Lager gesteckt. 1943 schloss er sich den Partisanen an, zuerst im Kampf und dann als Autor und Sprecher für das Partisanenradio. Nach dem Krieg stürzte er sich in ein Leben als Bohemien. Seine Publikationen wurde sowohl kontrovers diskutiert als auch mit Preisen bedacht. 1948 wurde Zupan angeklagt: wegen Unmoral, versuchten Mordes, staatsfeindlicher Aktivitäten. Er wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, die nach Berufung auf 18 Jahre aufgestockt wurden. Nach mehr als sechs Jahren wurde er begnadigt. Er arbeitete als Drehbuchautor für das slowenische Fernsehen, ab 1960 konnte er wieder regulär unter seinem Namen veröffentlichen. Seine autobiographischen Romane »Menuett für Gitarre« (1975), »Die Komödie des menschlichen Gewebes« (1980) und »Levitan« wurden zu Kultbüchern für die junge Schriftstellergeneration Sloweniens und Jugoslawiens.

Erwin Köstler

Erwin Köstler, geboren 1964, studierte Medizin und Slowenistik in Wien. Schon während des Studiums begann er zu übersetzen. 1999 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Übersetzung, 2020 den Fabian-Hafner-Preis. Aus dem Slowenischen übersetzte er Klassiker und zeitgenössische Literatur, u. a. Ivan Cankar, Srečko Kosovel, Slavko Grum und Mojca Kumerdej.

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